10.6.2021 – Tiefgaragenbetreiber Kevin B. ist sauer. “Darf ich meinen Kunden verbieten, ihre Elektroautos in der Garage zu Parken und was passiert im Brandfall?“ Seine 1962 erbaute Tiefgarage mit 26 vermieteten Stellplätzen hat gerade mal gut zwei Meter Geschosshöhe. „Zu wenig, um dann mit einem Bergungsfahrzeug ein brennendes Auto rauszuschleppen“. Eine Anfrage an die Stadtverwaltung zum Brandschutz blieb unbeantwortet. Verunsicherte Bürgermeister sperren nach Bränden die Tiefgaragen. Politiker, Parkhausbetreiber und Sachverständige befürchten schlimmes. Denn mit Elektroautos fahren auch hochsensible Lithium-Ionen-Batterien ins Parkhaus.
Elektroautos in Tiefgaragen
Mit der E-Mobilität zieht eine zusätzliche Brandgefahr in Tiefgaragen und Parkhäuser ein. Denn Elektro- und Hybridautos haben hochsensible Batterien an Bord. Im Brandfall sind deren Ausmaß, Rettungsabläufe und Bauschäden nur schwer kalkulierbar. In Kulmbach, Leonberg und Göppingen sperrte die Stadtverwaltung nach verheerenden Bränden Tiefgaragen für Elektroautos. Noch sind es Einzelfälle, doch schon in acht Jahren sollen 50 mal so viele Stromer unterwegs sein wie heute. Politiker, Sachverständige und Autofahrer fragen sich: Sind Tiefgaragen sicher genug für E-Autos?
Brennende Tiefgaragen
Der Anteil elektrifizierter Autos hat sich bundesweit innerhalb eines Jahres fast verdreifacht. „Für die Erneuerung der Bausubstanz mussten wir nach einem Fahrzeugbrand 300.000 Euro investieren, 18 Fahrzeuge wurden beschädigt, ein Wohnkomplex musste wegen der Rauchgasgefahr geräumt werden“, erklärt Frank Hörter (CDU), Kommunalpolitiker und Parteivorsitzender in Pfinztal bei Karlsruhe. Jetzt wolle eine mehrheitliche Opposition auf Kommunalebene nur noch E-Autos anschaffen. Die in den 1980er-Jahren erbaute Tiefgarage habe aber beispielsweise gerade mal gut zwei Meter Geschosshöhe. Dies sei zu wenig, um mit einem Bergungsfahrzeug ein brennendes Elektroauto rauszuschleppen. “Wir wollen wegen möglicher Brandfolgen keine Elektroautos mehr in Parkgaragen”, sagt Feuerwehrmann Hörter.
Gefährliche Batterien
Elektro- und Hybridautos mit ihren Lithium-Ionen-Batterien brennen zwar nicht häufiger als Benziner oder Diesel, aber sie brennen anders. Nach einer Beschädigung, wenn die Batterie “durchgeht” (Thermal Runaway), gibt sie das bis zu Zehnfache der elektrischen Ladung als Wärme frei. Tests der Forschungsstelle für Brandschutztechnik (FFB) mit einer beschädigten Lithium-Ionen-Batterie, beispielsweise nach einem Unfall, zeigen: während der ersten halben Stunde trat weißer Rauch aus. Nach weiteren 40 Minuten entzündete sich dieser Elektrolytdampf mit Stichflammen wie im Abgasstrahl eines Düsentriebwerks. Die Kunststoffe im Innenraum fingen Feuer, kurz darauf brannte die Karosserie lichterloh. Etwa eine Minute später explodierte der Rauch im Innern. Andere Tests ergaben: Schon 22 Sekunden nach dem Thermischen Durchgehen brannte der gesamte Innenraum. Dabei entstehen Temperaturen von über 1000 Grad Celsius.
Probleme mit Ladesäulen
Auch Ladesäulen können Brandbeschleuniger sein. “Häufiger geht nach Vandalismus, einem technischen Defekt oder einem Kabelbrand eine Gefahr von Ladestationen aus”, erläutert Matthias Bohnert, Brandschutzexperte beim Sicherheitsspezialisten Securiton Deutschland. Entscheidend für das Ausmaß des Schadens sei die Brandlast des Autos, die abgegebene Wärme bei der Verbrennung: Kunststoffverkleidungen im Innenraum, Plastikabdeckungen im Motorraum und breitere Reifen führen zu einer etwa dreimal höheren Brandlast als noch vor 30 Jahren.
Feuerwehr gefordert
Solche komplexen Brandherde fordern Feuerwehren heraus. Mehr als 20 000 Liter Wasser sind beispielsweise nötig, um eine Tesla S-Batterie herunter zu kühlen. “Ein Liter Wasser produziert bei 100 Grad Celsius circa 1700 Liter heißen Wasserdampf”, so Matthias Bohnert, “er kann die Sicht auf den Brandherd deutlich einschränken”. So musste die Feuerwehr bei einem Tiefgaragenbrand im holländischen Alkmaar wegen dichtem Rauch und Hitze einen Löschroboter einsetzen.
Gefährliches Löschwasser
“Das Brandschutzproblem in Tiefgaragen ist technisch nicht wirklich gelöst”, sagt Susanne Schütz, Bauexpertin und Landtagsabgeordnete der FDP in Niedersachsen. Die Kombination aus extremer Hitze und Löschwasser kann auch fatale Schäden an der Bausubstanz des Parkhauses verursachen, so dass anschließend sogar die Statik des Gebäudes gefährdet ist. „Chemisches Löschwasser darf auf keinen Fall in die Kanalisation geraten”, ergänzt Bohnert. Denn stark giftige Schwermetalle und Batterieinhaltsstoffe überschritten die Grenzwerte für Industrieabwässer bis zum 100-fachen.
Verbindliche bauliche Vorgaben fehlen
Und viele Tiefgaragen liegen im Innenstadtbereich oder unter Wohn- und Bürogebäuden. “Greifen die Flammen beispielsweise auf eine Hausfassade mit Wärme-Dämmmaterialien über, droht eine Katastrophe”, befürchtet Architektin Susanne Schütz, “es gibt keine verbindlichen baulichen Vorgaben zum Brandschutz speziell bei Elektro-Fahrzeugen und Ladesäulen”. Schon seit Jahren berät die Bauministerkonferenz über eine Anpassung der Muster-Garagenverordnung von 2008, an der sich die Bundesländer orientieren. Bekanntlich haben Politiker in Wahljahren andere Schwerpunkte.