Krumme Restwert-Geschäfte

24.6.2019 – Umstrittene Restwertbörsen, einst für den Ersatzteilhandel gegründet, erweisen sich für Kfz-Versicherer zu einem lukrativen Geschäftsmodell. Doppeltes Pech für unfallgeschädigte Autofahrer und ihr Schrottauto. Statt den Schaden vollständig zu erstatten, drücken sich Versicherer vermehrt davor. Umstrittene Restwertbörsen mit dubiosen Händlern und Käufern helfen ihnen dabei. Sie fördern sogar den Autodiebstahl: Mit den ersteigerten Papieren eines Schrottautos wird ein geklautes Luxusmodell legalisiert. Letztlich bessern die Konzerne damit ihre Bilanzen auf – zulasten aller Autofahrer, die brav ihre Versicherungsprämie überweisen.
Zeitwert oder Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs minus Restwert bestimmen die Entschädigungssumme beim Totalschaden. Je höher der Restwert ausfällt, desto weniger muss die Schadenabteilung zahlen. Auf Restwertbörsen versuchen die Versicherer, möglichst viel für den Unfallwagen herauszuholen. Dabei bleibt unklar, wer den Wagen ersteigert, wie viel letztlich gezahlt wird und was mit dem Fahrzeug weiter passiert. Restwertbörsen wie WinValue, car.tv oder autoonline waren ursprünglich für den Ersatzteilhandel gedacht. Sie wurden von Gutachtern oder Sachverständigenbüros gegründet, die der Versicherungswirtschaft nahe standen und auch heute noch mit ihnen zusammenarbeiten.
“Versicherer versuchen mit teils kriminellen Machenschaften, die Geschädigten unter Druck zu setzen“, erklärt Umut Schleyer, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin, “rechtlich haben die Börsen zunächst aber keine Relevanz.” Grundsätzlich darf der Unfallgeschädigte auf den Restwert vertrauen, den sein Gutachter ermittelt hat, so der Bundesgerichtshof. Egal ob er den Wagen behält (Az: VI ZR 120/06) oder verkaufen möchte (Az: VI ZR 318/08). Demnach sind bei der Restwertermittlung drei regionale Verwertungsbetriebe maßgebend und nicht ein Restwertportal im Internet, das nur für Händler zugänglich ist (Az: VI ZR 119/04). “Mit der Lüge, dass die Unfallopfer gegen die Schadenminderungspflicht verstoßen, gelingt es den Versicherern immer wieder, die Geschädigten zu überrumpeln”, kritisiert Anwalt Umut Schleyer. Ein lukratives Geschäft für die Versicherer: Diese Art der Unfallregulierung spült jährlich rund zwei Milliarden Euro in die Kassen.
“Unsere Erfahrungen mit Versicherern wie zum Beispiel der HUK-Coburg sind katastrophal, denn dort wird mit allen Tricks gearbeitet“, sagt Andreas Oberländer, Sachverständiger bei der Gut8er.com in Berlin. Er spricht von der Restwertlüge. Für einen Schrott-Mercedes S 430 ermittelte er bei regionalen Verwertern zwischen 50 – und 601 Euro Restwert. Die HUK präsentierte aber ein Kaufangebot von 1400 Euro von der Restwertbörse Wreck Online Market (WOM). Es war das einzige Gebot und kam von der Copart Deutschland in Fredersdorf, die zur WOM gehört.
Noch krimineller geht es mit ausgebrannten Schrottautos auf Restwertbörsen zu. Doch dazu demnächst mehr.