12.4.2019 – Lärm, Feinstaub, Stickoxide belasten Innenstädte – täglich tauchen neue Vorschläge auf, um sie zu reduzieren. Neben kostenlosem Nahverehr und blauer Plakette werden Fahrverbote oft als einzige Lösung für Ballungsgebiete genannt. Die schrittweise Einführung einer Gebühr für die Fahrt mit dem Auto in die City sei Diesel-Fahrverboten deutlich überlegen. Deshalb schlagen wissenschaftliche Berater der Bundesregierung eine City-Maut vor. So ließe sich auch der öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) oder das Fahrrad als attraktives Verkehrsmittel stärken.
Die Parlamentarier der EU wollen die Verursacher europaweit direkt zur Kasse bitten: Eine City-Maut soll für bessere Luft in den Innenstädten sorgen, eine Staumaut für flüssigen Verkehr. Eine streckenbezogene Abrechnung soll die Verursacher von Umweltproblemen zur Kasse bitten. Stimmt das Parlament zu, ist auch die deutsche „Dobrindt-Maut“ Geschichte. Autofahrer und Biker sollten sich aber nicht zu früh freuen: Je nach Umsetzung in den EU-Ländern, kann die Europamaut teuer werden. Und sie soll auch für Motorräder gelten.
Eine neue „Wegekostenrichtlinie“ (WKR2018) der EU sieht statt einer zeitabhängigen Vignetten nur noch eine Maut nach gefahrenen Kilometern und dem Schadstoffausstoß vor. Für Lkw und Busse soll sie ab 2023 europaweit gelten, so wie schon jetzt in Deutschland. Die entfernungsabhängige Pkw-Maut ist erst ab dem 1. Januar 2028 verbindlich. Übergangsfristen bis 2026 gewährt man den vorhandenen Systemen in Italien, Frankreich oder Österreich.
Nach dem Vorschlag aus Brüssel entscheiden die Mitgliedstaaten Grundsätzlich alleine, ob sie überhaupt eine Maut erheben wollen. Ohne Pkw-Maut kommen neben Deutschland, das eine zeitlich abhängige Vignette einführen will, acht Mitgliedstaaten aus. Dänemark, die Niederlande, Schweden und Großbritannien kassieren nur an wenigen Brücken und Tunneln. Acht Länder haben eine zeitabhängige Vignette für Pkw.
Nach einer Studie kostet die Lärmminderung entlang der Autobahnen jährlich etwa 1,8 Milliarden Euro, die Luftreinhaltung knapp 5 Milliarden. „Es ist höchste Zeit, dass externe Kosten des Verkehrs in die Berechnung von Straßenbenutzungsgebühren einbezogen werden.“, fordert Michael Cramer, der verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament. Schließlich belasten Pkw mit jährlich rund 306 Milliarden Kilometer deutsche Autobahnen. Neben der eigentlichen Pkw-Maut dürfen Mitgliedsstaaten auch in den Bergen kassieren, wo die Umwelt besonders gefährdet ist. Demnach wären für Bau und Unterhalt von Tunneln und Brücken ebenfalls Gebühren fällig.
Für Autofahrer dürfte vor allem die geplante Staugebühr ärgerlich sein. Sie darf unabhängig von der Pkw-Maut in Höhe, Strecke und Zeit eigenständig festgelegt werden. Vorbild ist die Citymaut in Stockholm, Göteborg oder London, die im inneren Stadtbereich gilt. In London müssen Autofahrer von montags bis freitags von 7 – bis 18 Uhr bis zu 25 Euro “Congestion Charge” (Staugebühr) für die Einfahrt in Finanzdistrikt und Westend zahlen. Solch ein Szenario droht auch deutschen Autofahrern in Megastau-Gebieten bundesweit.
Markus Pieper, Europaabgeordneter (CDU), nennt die Pläne der EU “weltfremd”: „So wie ich linke und grüne Politiker kenne, werden sie die Staugebühr trotzdem anwenden wollen.“ Dann würden Autofahrer doppelt bestraft, mit Zeitverlust und Staugebühren. Pieper fürchtet zudem, sie „könnte „Anreiz für Regierungen sein, um mit Baustellen extra Staus zu verursachen“. Doch bis dahin dürfte es noch einige Zeit dauern. Experten rechnen damit, dass die EU-Parlamentarier erst langsam in Gang kommen. Nach der Europawahl: bis dahin wollen Politiker Autofahrer nicht verprellen.
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