13.5.2017 – Bremsscheiben aus Holz, Sägemehl oder Kuhdung. Autofahrer leben gefährlich. Der Materialmix ist Sch…., das Bauteil zerbröselt schlimmstenfalls bei einer Vollbremsung. Trotzdem entscheiden sich Schnäppchenjäger bewusst für die gefälschten Ersatzteile. Der Schwarzmarkt boomt: Noch nie wurde im Autoteilemarkt so oft gegen Markenrecht verstoßen wie in den letzten Jahren. Copyshops produzieren auf Hochtouren für den Weltmarkt – zulasten der Verkehrssicherheit.
Nach einer Studie der Beratungsgesellschaft Ernst & Young entgehen den hiesigen Unternehmen durch Plagiate jährlich etwa 56 Milliarden Euro Umsatz. “In der Europäischen Union sind etwa fünf Prozent der importierten Waren gefälscht”, erklärt Dr. Bernd Fleischer, Anwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei Rose & Partner LLP. in Hamburg. Acht von zehn importierten Faketeilen stammen aus China, vermehrt auch aus Osteuropa.
Piratenjäger ermitteln auf Automobilmessen, an den Grenzen oder direkt im Fälschermilieu. Im letzten Jahr beschlagnahmte die Generalzolldirektion bei fast 500 Einsätzen rund 109000 Autoteile. Wert: knapp zwei Millionen Euro. Daimler spricht von einem Markt mit “industriellen Ausmaßen”. So rollen in Billiglohnländern gefälschte Teile vom gleichen Band wie die originale. “Aufspüren, Angreifen und Vorbeugen” lautet die Strategie von Daimler. In der Taskforce “Global Brand Protection” hat man mehr als ein Dutzend Spezialisten gebündelt. Mithilfe örtlicher Behörden entdeckten sie in einer Kleinfabrik im Nahen Osten mehr als eine Million gefälschte Autoersatzteile. Etwa 6000 Windschutzscheiben-Plagiate, teils aus Fensterglas, wurden in China sichergestellt. Beliebt sind bei den Fälschern Module und Teile, die sich schnell abnutzen und häufig erneuert werden müssen. So auch sicherheitsrelevante Teile des Bremssystems: Da besteht die Bremsflüssigkeit schon mal aus normalem Speiseöl. Steuergeräte gehen in Flammen auf, Bremsscheiben beginnen zu glühen und bersten.
Und doch greifen viele Autofahrer zu den Schrottprodukten. 55 Prozent der Plagiatkäufer entscheiden sich bewusst dafür. Ausschlaggebend ist der Spottpreis im Internet. Auf der Jagd nach Produktpiraten konzentrieren sich Automobilhersteller zunehmend auf Online-Handelsplattformen. Dubiose Angebote verfolgt man gemeinsam mit Polizei, Zoll und Anwälten. Markenrechtsexperte Fleischer: “Im Online-Bereich unterstützen uns auch IT-Unternehmen, die mit technischen Mitteln und eigens entwickelter Software geschützte Marken im Netz überwachen.” Doch das Risiko entdeckt und bestraft zu werden ist gering. Laut neuestem Europol-Lagebericht zur Produkt- und Markenpiraterie macht die Fälscherindustrie noch immer höhere Gewinne als der Drogenhandel.