Ausgerechnet der Gesetzgeber, der doch sonst so die Verkehrssicherheit im Blick hat, fördert notorische Raser. Möglich macht es die Reform des Verkehrszentralregisters, an der die Bundesregierung jahrelang herumgedoktert, geforscht, experimentiert und 30.000 Bürger befragt hat. Ergebnis: Das Verkehrszentralregister heißt jetzt Fahreignungsregister (FAER), das Punktekonto wurde reformiert. Ordnungswidrigkeiten werden dort nur noch eingetragen, wenn sie die Verkehrssicherheit betreffen und mit mindestens 60 Euro Verwarnungsgeld oder einem Fahrverbot belegt sind.
Genau diese Lücke nutzen findige Raser aus. Sogenannte Mehrfachtäter, statistisch als männlich, mittleres Alter, selbstständig, mit PS-starkem Pkw, viel unterwegs und sich selbst als überdurchschnittlich guten Kraftfahrer einschätzend, stehen oft mit ihrem Punktekonto vor dem Führerscheinentzug. Sie schrauben kurzerhand das vordere Nummernschild ab. Vor der Reform hätten sie dafür noch einen Punkt in Flensburg bekommen, seit Mai kostet „Fahren ohne Nummernschild“ nur noch 60 Euro. Laut Kommentar des Gesetzgebers mangele es diesen Fahrern zwar an Rechtstreue, die Verkehrssicherheit gefährden sie aber nicht.
„Da ist eine gewisse Unstimmigkeit“, meinen Verkehrsjuristen des ADAC. So bleiben selbst Autofahrer, die ihr Kennzeichen verdecken, ohne Punkte. „Wenn Sie Ihr Kennzeichen beschmieren, so dass es nicht lesbar ist, können Sie rasen wie der Teufel,“ kritisiert auch Winfried Hermann, Verkehrsminister in Baden-Württemberg, „dies ist eine Regelung, die Beihilfe zur Vertuschung einer Straftat leistet“.
Auch Straftäter dürfen sich freuen. Einst führten Straftaten „im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr“ automatisch zu Punkten, künftig muss die Geldbuße höher als 60 € und eine Ordnungswidrigkeit sein, die in der Fahrerlaubnisverordnung aufgeführt ist. Aus dieser Liste sind nach der Reform aber 16 Tatbestände verschwunden, beispielsweise Beleidigungen wie der Stinkefinger oder Urkundenfälschung im Zusammenhang mit dem Kennzeichen. Allerdings wurden die Bußgeldern erhöht.
Einen Freibrief haben Raser mit dem Nummernschildtrick aber nicht. ADAC-Verkehrsjurist Markus Tschäpe warnt: “Ähnlich wie bei illegalen Straßenrennen droht solchen Autofahrern die Anordnung einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung, wenn die Ordnungswidrigkeit schwerwiegend ist und Zweifel an der Fahreignung zulässt”. Wie viele Autofahrer von solch einem Idiotentest bedroht sind, weiß niemand. „Es sind Einzelfälle, die sich aber quer durch Deutschland ziehen,“ heißt es bei der Polizeiinspektion in Goslar. Die haben es aber in sich. Im Landkreis Goslar raste ein Autofahrer 39 Mal ohne Nummernschild am Auto in Radarfallen – erst nach einer monatelangen Großfahndung wurde er geschnappt.