Im Landkreis Goslar raste ein Autofahrer 39 Mal in Radarfallen. Seine Spezialität: Er schraubt sein vorderes Nummernschild ab und klappte die Sonnenblende runter. Erst nach einer monatelangen Großfahndung konnte die Polizei ihn überführen. Ausgerechnet der Gesetzgeber, der doch sonst so die Verkehrssicherheit im Blick hat, fördert künftig solche notorischen Raser. Möglich macht es die Reform des Verkehrszentralregisters. An der hat die Bundesregierung jahrelang herumgedoktert. Ergebnis: Das Verkehrszentralregister heißt jetzt Fahreignungsregister (FAER), das Punktekonto wurde reformiert. Ordnungswidrigkeiten werden dort nur noch eingetragen, wenn sie die Verkehrssicherheit betreffen und mit mindestens 60 Euro Verwarnungsgeld (bis dahin 40 €) oder einem Fahrverbot belegt sind.
Genau diese Lücke nutzen Raser mit dem Nummernschildtrick aus. Sogenannte Mehrfachtäter, statistisch gesehen männlich, mit PS-starkem Pkw, viel unterwegs und sich selbst als überdurchschnittlich gute Autofahrer einschätzend, stehen oft mit ihrem Punktekonto vor dem Führerscheinentzug. Sie schrauben vermehrt das vordere Nummernschild ab und hoffen dann, auf einem Blitzerfoto nicht identifizierbar zu sein. Vor der Reform hätten sie für „Fahren ohne Nummernschild“ einen Punkt in Flensburg bekommen, seit Mai kostet das Vergehen nur noch 60 €. Begründung des Gesetzgebers: es mangele solchen Fahrern zwar an Rechtstreue, die Verkehrssicherheit gefährden sie aber nicht.
„Der Katalog ist ganz missraten. Da ist bei der Punktevergabe willkürlich rumgepfuscht worden“, meinen Verkehrsjuristen und Politiker. Selbst Autofahrer, die ihr Kennzeichen „verdecken“, werden nicht mehr eingetragen. „Wenn Sie Ihr Kennzeichen beschmieren, so dass es nicht lesbar ist, können Sie rasen wie der Teufel,“ kritisiert auch Winfried Hermann, Verkehrsminister in Baden-Württemberg im Bundesrat, „dies ist eine Regelung, die Beihilfe zur Vertuschung einer Straftat leistet.“ Einst führten Straftaten „im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr“ automatisch zu Punkten, künftig nur noch dann, wenn Fahrverbot oder Führerscheinentzug mit ausgesprochen wird.
Einen Freibrief haben Raser ohne Nummernschild aber nicht. ADAC-Verkehrsjurist Markus Schäpe warnt: “Ähnlich wie bei illegalen Straßenrennen droht solchen Autofahrern die Anordnung einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung, wenn die Ordnungswidrigkeit schwerwiegend ist und Zweifel an der Fahreignung zulässt”. Wie viele Autofahrer von solch einem Idiotentest bedroht sind, weiß niemand. „Es sind Einzelfälle, die sich aber quer durch Deutschland ziehen,“ heißt es bei der Polizeiinspektion in Goslar.