Etwa 100 Autos sollen jede Nacht in Deutschland gestohlen werden, ein Viertel davon allein in Berlin und Brandenburg. Seit die Grenzkontrollen nach Polen weggefallen sind, nutzen Autodiebe vermehrt die kurzen Fluchtwege in Richtung Osten. Polizei und Kripo in der Grenzregion rüsten auf. Ende 2007 wurde der Schengen-Raum um Polen erweitert. An der fast fünfhundert Kilometer langen Grenze zu Deutschland finden Diebesbanden genügend Übergänge , um gestohlene Luxusautos zu verschieben. In einer Reportage beleuchtet der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) die Autodiebstahl-Szene und folgt den Spuren der Diebesbanden.
Alles spielt sich im Bermudadreieck ab: zwischen Königs Wusterhausen und den Autobahngrenzübergängen bei Frankfurt/Oder und Forst. Die Autobahnen A12 und A13 und die deutsch-polnischen Grenze begrenzen das Dreieck. Für Autodiebe sind es so noch keine 100 Kilometer von der Hauptstadt bis zur Grenze. Fällt der Diebstahl auf, sind die meisten Autos längst hinter der Grenze: Mit einem starken Luxuswagen in einer guten halben Stunde.
Die Kfz-Kriminalität ist international organisiert: Deutsche, Polen, Litauer, Russen, arbeiten demnach Hand in Hand. Dabei funktioniert der Klau über mehrere Ebenen: Einer stiehlt, der andere transportiert den Wagen ab, ein dritter verkauft ihn – die Hintermänner bleiben unerkannt.
Nach Erkenntnissen der Kripo werden die gestohlenen Fahrzeuge nicht nur nach Polen und in die Ukraine verschoben, sondern sogar bis nach Kasachstan oder gar China. Zugute kommt den Dieben, dass viele Zöllner in Osteuropa käuflich sind, so gilt die ukrainische Polizei als besonders korrupt. „In der Ukraine herrscht ein günstiges Klima, um gestohlene Autos zu verkaufen“, bemerken die Ermittler. Gestohlen werden auf Bestellung vor allem Geländewagen wie Audi Q7 oder BMW X5. Großer Beliebtheit erfreut sich bei den Dieben seit kurzem der Skoda Octavia Kombi in der Dieselvariante. Ein Alltagsauto für die rauhen Pisten in Osteuropa..
Viele gestohlene Autos bleiben aber im Inland: Nordöstlich von Berlin gelang es der Berliner Kripo, Diebe in einer Lagerhalle zu überraschen. Sie hatten 60 Luxusautos fein säuberlich zerlegt. Üblicherweise werden die Einzelteile über eBay verkauft oder zwischen Lastwagenladungen über die Grenze geschmuggelt.
In Berlin und Brandenburg werden täglich 25 Autos gestohlen, nur jeder siebte Diebstahl klärt sich auf. „Seit eineinhalb Jahren gibt es die Sonderkommission Grenze“, sagte Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke dem RBB, „wir haben die SoKo 2012 aufgestockt, es sind jetzt etwa 120 Beamte.“ Sie sollen gezielt und flexibel vorgehen. Denn eine Kontrolle vor der Grenze sei ungefähr 15 Minuten sinnvoll, dann wissen die Täter darüber Bescheid.
Als vor sechs Jahren das Schengener Abkommen mit Polen in Kraft trat, wurde die Bundespolizei an der polnischen Außengrenze abgebaut, entgegen den politischen Versprechen. Die Polizeipräsenz an der Landesgrenze findet seit dem nur noch im Hinterland statt. Derzeit enden somit viele Verfolgungsjagden noch an der Grenze: Das flüchtende Auto wird in Polen nicht nahtlos “übernommen”. Jetzt sei man mit gemeinsamen Ermittlungsgruppen endlich auf einem guten Weg, sagte Minister Woidke. Die Verträge sind demnach schon unterschrieben, sie müssen noch gegengezeichnet werden. Ein deutsch-polnisches Polizeiabkommen regelt dann auch die rechtlichen Grundlagen, damit ein deutscher Polizist genauso wie ein polnischer weiß, was er auf fremdem Terrain darf und was nicht. Bis dahin arbeiten die Diebe fleißig weiter und entdecken gar ein neues Verkehrsmittel: In der Grenzstadt Forst sollen seit Januar diesen Jahres schon 400 Fahrzeuge gestohlen worden sein – Fahrräder.