Ob im Winter bei Frost oder im Sommer bei Gluthitze – Schlaglöcher sind für Autofahrer und Fahrzeug ein Greuel. Der strenge und lange Winter mit wechselndem Frost und Tauwetter hat viele Straßen in Schlaglochteppiche verwandelt. Zudem haben Bund, Länder, Städte und Kommunen jahrzehntelang bei der Straßensanierung gespart. Experten reden von Investitionsstau. Finanzmittel um die Löcher kurzfristig zu flicken, sind derzeit knapp.
Autofahrer haben Angst – um ihr Fahrzeug. Häufig verursachen die Schlaglöcher Schäden an Autos, deren Reparatur dann teuer ist. Schadenersatzanspruch an den Unterhaltsträger der Straßen wimmelten die Gerichte bisher in zahlreichen Urteilen ab. Je nach Straßentyp muss sich der Autofahrer auf Schäden einstellen. Diese Auffassung scheint sich in neueren Urteilen zu ändern.
„Investiert wird nach Bedarf und nicht nach Himmelsrichtung“, sagt Bundesverkehrsminister Ramsauer. Damit soll der Investitionsanteil des Bundes für Straßensanierung nach jahrzehntelangem Rückstand in den alten Bundesländern von 17 auf 24 % steigen. Jahrzehntelang hat man die Reparatur- und Instandhaltungskosten vernachlässigt. Obwohl 48 Milliarden Euro an Einnahmen aus der Mineralöl- und Kfz-Steuer jährlich in den Bundeshaushalt fließen, werden nur rund ein Drittel in die Infrastruktur investiert. Politiker schieben sich die Verantwortung zu: Die Hinterlassenschaft der Vorgänger sei ursächlich, viel wurde in die neuen Bundesländer investiert, die alten vernachlässigt.
Sichtfahrgebot hat oberste Priorität
Autofahrer dürfen sich nicht darauf verlassen, dass vor Schlaglöchern gewarnt wird. Denn es gilt laut Straßenverkehrsordnung das Sichtfahrgebot: Man darf nur so schnell fahren, dass man auf ein Hindernis – oder eben ein Schlagloch – entsprechend reagieren kann. Oft stellen die Verantwortlichen an besonders kritischen Punkten Warnschilder auf. Fehlen sie und führen die Löcher zu Schäden, erhalten Autofahrer trotzdem keinen Schadenersatz. Da sind die Gerichte sehr streng. Bisher haben sich die Gerichte weitgehend auf das Sichtfahrgebot zurückgezogen und den Autofahrern zumindest ein sehr hohes Mitverschulden angerechnet. Doch die Rechtsprechung bewegt sich langsam: einige Urteile aus dem letzten Jahr ziehen Städte und Gemeinden zur Haftung heran. Autofahrer müssen aber erkennen, welche Bedeutung die Straße für den Verkehr hat. Danach richtet sich auch die Rechtsprechung.
Unbefestigte Wege bedeuten „auf eigene Gefahr“
Allerdings muss man bei einer „erkennbaren“ Straße mit mehreren Schlaglöchern, mit solchen permanent rechnen. Auf unbefestigten, behelfsmäßigen Weg fährt man auf eigenes Risiko. So kann man auf unbefestigten, behelfsmäßigen Weg keine hohen Anforderungen stellen. Wer solche Wege benutzt handelt er auf eigenes Risiko (OLG Brandenburg). Auch bei Landwirtschaftswegen muss mit sehr tiefen Schlaglöchern oder Unebenheiten gerechnet werden (OLG Düsseldorf). Die Eigenverantwortlichkeit der Verkehrsteilnehmer steht auf unbefestigten Wegen im Vordergrund entschied das OLG Naumburg. Auf solchen Straßen ist besonders im Winter immer mit Schlaglöchern zu rechnen.
Dass manchmal nicht einmal Warnschilder ausreichen, um die Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen, zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt. Auf einer vielbefahrenen Straße lagen zwei große Schlaglöcher direkt nebeneinander. Nach Ansicht des Gerichtes hätte die Straße gesperrt und der Schaden umgehend repariert werden müssen.
Schlaglöcher auf der Autobahn
Die Sicherheitserwartungen auf einer Bundesautobahn sind deutlich höher als auf einer holprigen Gemeindestraße. Reges Verkehrsaufkommen erhöht dort die Anforderungen an die Sicherheit der Fahrbahn. So darf ein Autofahrer grundsätzlich darauf vertrauen, dass diese sich in einem verkehrssicheren Zustand befindet.
Das OLG Nürnberg entschied, dass ein Bundesland seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, wenn im Baustellenbereich einer Autobahn 10 Zentimeter tiefe Schlaglöcher lediglich mit Kaltmischgut aufgefüllt werden und die Geschwindigkeit auf 60 km/h beschränkt ist – aber kein Warnschild aufgestellt wurde.
Und nach einem Urteil des LG Halle müssen Autofahrer auf Autobahnen am wenigsten mit „großen“ Schlaglöchern rechnen: ab 20 Zentimetern Tiefe und 90 Zentimetern Breite. Daher müssen Winterdienste besonders häufig die Strecke kontrollieren, Warnschilder müssen auf die Schäden hinweisen.
Wird ein Auto aufgrund von Schlaglöchern im Asphalt einer Straße beschädigt, haftet das Land für den Schaden, wenn es seiner sogenannten Verkehrssicherungspflicht nicht ausreichend nachgekommen ist. Das Aufstellen von Warnschildern, die auf eine schlechte Fahrbahn hinweisen, ist bei tiefen Schlaglöchern nicht ausreichend, wie auch das Oberlandesgericht Koblenz entschied.
Mit einem 12 cm tiefen Schlagloch muss ein Verkehrsteilnehmer auf Autobahnen in Sachsen-Anhalt auch dann nicht rechnen, wenn eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h angeordnet ist und Warnschilder darauf hinweisen. Für die neuen Bundesländer hatte das Landgericht Halle entschieden. Nach Ansicht des Gerichts ist das Land durch die getroffenen Maßnahmen seiner Verkehrssicherungspflicht nur unzureichend nachgekommen, weshalb der Kläger in vollem Umfang Schadenersatz zugesprochen bekam.
Ist die Fahrbahn einer Bundesautobahn in einem bestimmten Streckenabschnitt bereits seit längerer Zeit schadhaft, wird diese jedoch nicht saniert, weil die erforderlichen Haushaltsmittel dafür nicht zur Verfügung stehen, kann die sogenannte Straßenverkehrs-Sicherungspflicht (SVSP) verletzt sein, sofern lediglich im Abstand von einem Kilometer Warnschilder „Straßenschäden auf 5 km Länge” aufgestellt sind und eine Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht angeordnet ist (OLG Koblenz). Dies könne selbst dann der Fall sein, wenn bei einer regelmäßigen Streckenkontrolle (Tempo 20-30 km/h auf dem Standstreifen/alle zwei Tage) noch kein Schlagloch zu sehen gewesen sei.
Bundes-, Land- und Gemeindestraße
Weist eine Kreisstraße erkennbar zahlreiche Risse, Ausbesserungsstellen und Schlaglöcher auf (sogenannte Buckelpiste), muss der Verkehrssicherungspflichtige vor dem offenkundig schlechten Straßenzustand nicht nur durch das Aufstellen von Warnschildern warnen, sondern Schlaglöcher sofort behelfsmäßig zuschütten lassen, wie das LG Lüneburg urteilte.
Für Radfahrer gilt: Eine Gemeinde verletzt ihre Verpflichtung nicht, wenn sie einen Aufbruch im Fahrbahnbelag einer Gemeindestraße nicht schließt, der für aufmerksame Radfahrer nicht so rechtzeitig erkennbar ist (OLG Stuttgart), dass ein Unfall vermieden werden kann.
Befinden sich in einem asphaltierten Radweg erkennbar zahlreiche tiefe Schlaglöcher, trifft die straßenverkehrssicherungspflichtige Gemeinde nicht den Vorwurf einer Pflichtverletzung, selbst dann, wenn eine Warnung unterblieben ist, wie das LG Rostock feststellte. Der Benutzer des Radweges muss sich den Verhältnissen anpassen: Stürzt ein Fahrradfahrer nach dem Umfahren etlicher Schlaglöcher beim Ausweichen vor einem weiteren Schlagloch, ist die Erkennbarkeit der Gefahr eindeutig.
City,Innerorts
Es ist die pure Verzweiflung: Weil Schlaglöcher nicht so schnell gefüllt werden können, wie neue aufreißen, gibt die Straßenmeisterei neue Regeln vor – Tempo 30 auf Landesstraßen.
Eine Ortsdurchfahrt in Gehrden (bei Hannover) eignet sich besser zum Golfen als zum Autofahren. Im Gemeinderat heißt es: „Wie in der Ostzone“. Jetzt herrscht auf der Landestraße 401, Tempo 10.
(1) Ob Gemeinden für Schäden durch Schlaglöcher haften, entscheidet deren Anzahl und Tiefe. Laut Deutschen Anwaltsverein (DAV) hat das Landgericht Rostock entschieden, das dies dann der Fall ist, wenn auf rund 500 Metern 15 bis 20 Schlaglöcher mit einer teilweisen Tiefe von sieben bis acht Zentimetern existieren.
So fuhr ein Autofahrer bei starkem Regen durch ein zwölf Zentimeter tiefes und 120 Zentimeter langes Schlagloch. Das Auto setzte auf, der Schaden lag bei rund 1.500 Euro. Der Mann klagte und erhielt die Hälfte als Schadenersatz. Die informierte Gemeinde habe ihre Verkehrs-Sicherungspflicht nicht erfüllt, Notfalls hätte sie die Strecke sperren müssen. Allerdings treffe auch den Autofahrer eine 50-prozentige Mitschuld, da er angesichts des Wetters seine Geschwindigkeit hätte anpassen müssen.
Schlaglöcher im Baustellenbereich
Für Baustellenbereiche gilt bei Schäden, die durch Schlaglöcher verursacht werden, nicht zwingend die kommunale Haftung: Gehwegbenutzer müssen mit geringfügigen Niveauunterschieden bis zu 2 cm rechnen.(OLG Celle).
Der Straßenverkehrssicherungspflichtige muss auf ein etwa 10 cm tiefes Schlagloch mit einem Umfang von einem halben Quadratmeter in einer kommunalen Straße nicht gesondert hinweisen, wenn sich die Straße ganz erkennbar im Bau befindet. Wer Schlaglöcher umfährt, gebe zu erkennen, dass Schäden am Pkw in Kauf nimmt – wie das LG Trier feststellt.
Wenn ein Fußgänger beim Überqueren einer Straße vor einer Gaststätte in ein Schlagloch in der Fahrbahn tritt, umknickt und sich eine Unterschenkelfraktur zuzieht, haftet eine (nordrhein-westfälische) Gemeinde nicht wegen Verletzung der SVSP (OLG Hamm). Es bestehe keine SVSP-Pflicht für die Oberflächen von Fahrbahnen einen Zustand wie auf Bürgersteigen herzustellen; dies würde zu einer finanziellen Überforderung der Kommunen führen.
Schlaglöcher auf Parkplätzen
Nach Auffassung des LG Bonn soll bei 5-8 Zentimeter tiefen Schlaglöchern auf öffentlichen Parkplätzen keine Verletzung der SVSP in Frage kommen. Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung sei auch die – schwache – Finanzkraft der Gemeinden zu berücksichtigen. Schon insoweit sei eine Kommune nicht verpflichtet, einen Parkplatz von kleineren Unebenheiten und Löchern freizuhalten. Bei einer im Kern dem ruhenden Verkehr gewidmeten Fläche sei zudem die Verkehrsbedeutung so gering, dass eine weitere Beleuchtung als durch eine ca. 100 Meter entfernte Lampenanlage nicht erforderlich gewesen sei.
Sichtfahrgebot auch im Hinblick auf Schlaglöcher OLG Jena. Bei wichtigen innerstädtischen Straßen dürfen die Verkehrsteilnehmer darauf vertrauen, dass keine größeren Schlaglöcher vorhanden sind.
Beim Befahren einer Brücke fuhr ein Autofahrer mit dem Pkw in ein ein Zentimeter tiefes und 50 cm mal 50 cm großes Schlagloch. Ausweichen bei Gegenverkehr war nicht möglich. Das Schlagloch war mit Wasser gefüllt. Die Gemeinde kannte Schlagloch und hatte es mit Kaltmischgut geflickt – vergeblich, es brach wieder auf. Noch vor einer weiteren Reparatur mit Heißmischgut fuhr ein Autofahrer dorthinein. Das OLG nimmt eine Haftungsquote von jeweils 50 % vor.
Die Rechtsprechung geht dabei davon aus, dass der Straßenbenutzer sein Verhalten den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straßen so hinnehmen muss, wie sie sich ihm erkennbar darbieten (BGH).
Auf welche Gefahrenquellen sich der Straßenbenutzer einrichten muss, hängt im Wesentlichen auch von der Verkehrsbedeutung einer Straße ab.
Definition: „Eine Verkehrssicherungspflicht bzw. Verkehrspflicht ist in Deutschland eine deliktsrechtliche Verhaltenspflicht zur Abwehr von Gefahrenquellen, deren Unterlassen zu Schadensersatzansprüchen nach den §§ 823 ff. BGB führen kann.“