Tauerntunnel, im Juni 1999: Nach einem Auffahrunfall stehen verkeilt, ausgebrannt und deformiert einige Dutzend Autos in der Röhre, 12 Tote sind zu beklagen. Anlass für das österreichische Parlament sich in einer aktuellen Stunde mit dem Thema „Kfz-Brand“ zu befassen. Wichtigster Punkt: Neue Werkstoffe im Auto, die ein höheres Brandrisiko bilden.
Politiker fordern Feuerlöscher
„Magnesium fördert eine künftige Ausrichtung der Fahrzeugbrände auf Metallbrände“, befürchtet der Abgeordnete Kurt List, Mitglied im Ausschusses für Landes-Sicherheit der Steiermark. Der Politiker warnt vor der verheerenden Reaktion von Magnesium und fordert einen obligatorischen Feuerlöscher für jedes Fahrzeug.
Keine Kfz-Brandstatistik in Deutschland
Eine „unscharfe“ Ursachenstatistik zeigt, dass bei jedem 25. Fahrzeugbrand auch ein „Metallbrand“ entsteht, wenn beispielsweise eine Magnesium-Metalllegierung schmilzt und dann Feuer fängt. Der Trend zum Leichtbau zwingt die Autohersteller vermehrt neue Werkstoffe wie das Leichtmetall Magnesium einzusetzen. Den Mehrkosten bei Material und Verarbeitung steht andererseits geringeres Fahrzeuggewicht und damit niedrigerer Kraftstoffverbrauch gegenüber: 100 kg weniger Fahrzeuggewicht senken den Verbrauch um etwa 0,6 Liter je 100 Kilometer.
Magnesiumeinsatz vervierfacht sich in zehn Jahren
Die Vorteile von Magnesium sind unbestritten. Bei gleichem Volumen ist ein Magnesium-Bauteil drei Viertel leichter als Stahl, etwa ein Drittel leichter als Alu. Deshalb prophezeien Experten dem Leichtmetall einen rasanten Anstieg. Joe Willekens, Forschungschef bei Hydro Magnesium: „Heute enthält jedes Fahrzeug im Durchschnitt 2,5 Kilogramm Magnesium, für die nächsten zehn Jahre rechnen wir mit einer Vervierfachung.“
Feuerwehr hat Löschprobleme
Der steigende Leichtbau der Automobilhersteller treibt den Feuerwehrleuten das Wasser in die Augen, denn bei brennenden Magnesiumbauteilen in Motorblock, Armaturenbrett, Sitzlehnen oder Türstrukturen versagen herkömmliche Löschmittel. Noch dient als Lösch-Grundlage die Vorschrift „Brand und Explosionsschutz an Maschinen“, die auch für Autobrände gilt. Sie sagt aus, dass Magnesiumbrände – erkennbar an der hellen gleißenden Brandfarbe – keinesfalls mit Wasser gelöscht werden dürfen. Hans-Peter Merker, Experte für Magnesium im Deutschen Feuerwehrverband: „Wir müssen aber eine neue Strategie zum Löschen von Magnesiumbränden entwickeln, und beispielsweise fragen, welche Löschmittel sind optimal, welche Löschtaktik ist erforderlich und wie sind die Einsatzfahrzeuge zu beladen.“
VW macht Brandversuche mit magnesiumhaltigen Autos
Magnesium in kompakter Form ist schwer entflammbar und als Fahrzeugbrandursache auszuschließen – behaupten die Automobilhersteller. Es schmilzt bei etwa 600 Grad Celsius, je nach Legierung liegt die Zündtemperatur weit höher, bevor es zum Oberflächenbrand kommt. Versuche im Volkswagen Konzern haben gezeigt, dass Gehäusebauteile erst nach intensiver Beflammung in Brand geraten. Wolfgang Geisler, Magnesiumbeauftragter bei VW: „Bei Volkswagen wurden alle erforderlichen Untersuchungen zur Freigabe von Magnesium im Fahrzeug durchgeführt. Alle rechtlichen Vorschriften werden erfüllt.“ Soll heißen, dass diese Bauteile auch die hohen Anforderungen erfüllen müssen, die an Kunststoffe gestellt werden.
Käfer hat das meiste Magnesium an Bord
Mehr als zwanzig Millionen Käfer sind mittlerweile vom Band gelaufen, jeder hatte etwa 20 kg Magnesium an Bord, insgesamt mehr als 400.000 Tonnen. Schon 1933 setzte Käferkonstrukteur Ferdinand Porsche auf Leichtbau. Er entschied sich wegen Devisenmangel für das hierzulande vorhandene Magnesium statt Aluminium. In den 50er Jahren verwendeten die Ingenieure im Volkswagen mehr als 22 Kilogramm Magnesium – in Getriebe-, Kupplungs- und Lüftergehäuse und einigen KleinteilenLeichtmetallexperte Jo Willekens: „Wir haben bei Hydro Magnesium schon vor einigen Jahren solch einen Käfermotor Stunden lang heiß laufen lassen, dann angezündet und letztlich noch 30 Liter Benzin in den Motorraum gekippt“. Erst nach mehr als 20 Minuten intensiver Beflammung hat das Magnesiumgehäuse des Motors gebrannt.
Auch andere Hersteller schließen sich der Brandforschung an
Und wenn künftig immer mehr Karosserieblech oder Lenkräder aus Magnesium bestehen? Magnesiumexperte Wolfgang Geisler: „Die Magnesiumlenkräder beispielsweise sind mit Kunststoff ummantelt, im Brandfall würde der Kunststoff verbrennen, sich als Schutzschicht um das Magnesium legen und so in der Regel einen Magnesiumbrand verhindern“. Demnächst wollen Feuerwehrverband und VW im Brandforschungshaus der Uni Karlsruhe ein magnesiumhaltiges Fahrzeug anzünden um das Abbrennverhalten zu untersuchen und zu dokumentieren. BMW und DaimlerChrysler stoßen in der nächsten Phase dazu, denn die Problematik betrifft alle Hersteller, aber auch Werkstätten und Hobbywerker.
Bastler sind künftig gefährdet
So hofft denn Brandschutzexperte Hans-Peter Merker auf weitere Hinweise beim Kfz-Brand: „Die Brandversuche sollen auch Erkenntnisse über Handhabung und Schutzmaßnahmen für die zahlreichen Bastler liefern“. Wenn beispielsweise künftig Bastler die magnesiumhaltige Heckklappe ihres betagten 3-Liter-Lupo mit einer Flex abschleifen besteht die Gefahr, das sich auf den Handschuhen Staub ablagert. Schon ein glühender Span kann ausreichen, um den Magnesiumstaub explosionsartig zu entzünden.
Bei Autoherstellern hat es schon gebrannt
Mit dieser Gefahr haben auch die Autohersteller schon Bekanntschaft gemacht: Bei der Produktion des Magnesiumgetriebes für Golf und Polo kam es zu kleineren Bränden im Kasseler-Volkswagenwerk. Mittlerweile fertigen deshalb die Hersteller abseits der Produktionshallen. DaimlerChrysler hat die Herstellung von Magnesiumteilen vollständig ausgelagert, nachdem es zu einem Brand kam, BMW betreibt im Werk Landshut eine separate Pilotanlage.
Formel 1 hat als Brandgefahr erkannt
Ohne Zweifel: Mehr Magnesium im Fahrzeug bedeutet auch höhere Brandgefahr, zumal magnesiumhaltige Türen oder Karosserieteile leichter und großflächiger werden. Im Motorsport haben die Verantwortlichen der Formel 1 schon vor Jahrzehnten die Magnesiumgefahr zu spüren bekommen: Beim Großen Preis von Frankreich 1968 überschlug sich Jo Schlesser mit einem Honda V8, der eine Magnesium-Karosserie hatte. Der Franzose verbrannte im Wrack. Seit 1972 schreibt die FIA für Formel-1-Fahrzeuge vor, dass keine Magnesiumschicht dünner als drei Millimeter sein darf.
Magnesium der Leichtbau-Renner
Im 3-Liter-Lupo konnte mit einer Druckguss-Magnesium-Heckklappe fast die Hälfte des Gewichts eingespart werden, eine Coupe-Tür bei BMW wurde durch einen Alu/Magnesium-Mix um 7,5 Kilo leichter. Auch für den Dauerbrenner A 4 entwickelt Audi den Prototypen einer Magnesium-Autotür. Der neue A6 Multitronic enthält etwa 20 kg Magnesium, vorwiegend im Getriebe.
Jährlich werden derzeit etwa 400.000 Tonnen verarbeitet, 2005 sollen es schon 550.000 Tonnen sein. Die Autohersteller reagieren und suchen Lieferanten: VW hat ein Drittel an der israelischen Dead Sea Magnesium erworben, Ford investiert in die Australian Magnesium Corp. und General Motors kooperiert mit Norway`s Norsk Hydro.
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