ESP kommt aus dem Reifen

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat kürzlich festgestellt, dass jeder vierte Unfall mit Schwerverletzten oder Toten von einem schleudernden Fahrzeug verursacht wurde. Grund: mangelnde Bodenhaftung der Reifen. Diese Unfallzahlen können sich dank elektronischer Regelsysteme wie ABS oder dem Stabilitätsprogramm ESP verbessern. Trotzdem sind die Techniker noch nicht zufrieden, denn solche System liefern bisher nur “ungenaue” Informationen über die Reifenkräfte: Modellwerte, die sich zusammensetzen aus Motorleistung, Bremsdruck, Radgeschwindigkeit und Fahrzeugbeschleunigung. Mit genaueren Werten über das Reifenverhalten könnten die Unfallzahlen reduziert werden. Eine Lösung bietet der “intelligente Reifen”, den Continental derzeit entwickelt.

Seitenwand-Torsion-Sensor liefert zuverlässige Daten

Handelsübliche Reifen wirken als Stoßdämpfer und verteilen Kräfte in Quer- und Längsrichtung. Der Hightech-Reifen von Conti ermittelt über einem Sensor zusätzlich die Verformung („Seitenwand-Torsion-Sensor“) und liefert damit wichtige Messdaten zur Fahrbahngriffigkeit. Die Hochzeit von Gummi und Elektronik heißt bei Conti “SWT” (Sidewall Torsion). Die Daten über das Ausmaß der Verformung leitet der Pneu an ESP weiter. Dazu sind am Fahrwerk zwei Sensoren angebracht: einer nahe am Scheitelpunkt des Reifens, ein weiterer auf Felgenhöhe. Sie sind messtechnisch mit dem magnetisierten Reifen kombiniert, der in der fahrzeugseitigen Wand eine Magnet-Gummimischung enthält, abwechselnd mit Nord- und Südpol.

Renault und Citroen verwenden schon magnetisierte Gummimischungen

Magnetisierte Gummimischungen werden schon seit einem Jahr in Renault Laguna und Citroen Xsara verwendet. Die Conti-Tochter Teves entwickelte dazu das System “Active Sensor Bearing” (Aktives Sensor Lager) für die Polräder des ABS: Dreht sich die Gummidichtung, berechnet das aktive Sensorsystem die vorbeilaufenden Magnetwechsel und dient somit als Drehzahlgeber für das ABS.

Sensoren überwachen Magnetfelder

Rollt das Fahrzeug gleichmäßig, laufen die künstlichen Magnetpole der Reifeninnenseite an den Sensoren vorbei. “Wirken aber Längskräfte beim Bremsen, verschiebt sich die Durchlaufzeit zwischen den Sensoren“, erklärt Projektleiter Thomas Becherer aus dem Conti-Technologiezentrum. Die Steuereinheit optimiert – auf Grundlage dieser Daten – je nach Intensität den Bremsvorgang. Tritt der Fahrer aufs Gas, ist der Vorgang derselbe – nur die Vorzeichen der Messdaten sind umgekehrt. Thomas Becherer: “Die ermittelte Längskraft für jeden der vier Reifen liefert sehr genaue Daten für Schlupfregelsysteme wie ABS und ASR“.

Doch SWT liefert noch mehr. Während Sensoren für das ABS hauptsächlich Daten zur Radumdrehung liefern, erhält ESP zusätzlich Informationen zum Lenkwinkel, zur Querbeschleunigung und zur Gierrate. Reifenexperte Thomas Becherer: “Gelingt es die Messwerte des Gierratensensors durch SWT-Daten der Querkräfte zu ersetzten, wird ESP deutlich billiger und kann möglicherweise ganz ersetzt werden”. Dann steht auch dem Einzug des ESP in die Kleinwagenklasse nichts mehr im Wege. Derzeit wird das System in einem 3er BMW getestet. Thomas Becherer ist zuversichtlich: “In etwa drei Jahren könnten Serienfahrzeuge mit dem Reifensensor ausgerüstet werden“.


Kommentare

Eine Antwort zu „ESP kommt aus dem Reifen“

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