Man sitzt im neuen Wagen, freut sich, genießt den «Neuwagengeruch». Doch sollte er nicht wochen- oder gar monatelang anhalten, denn irgendwann «stinkt es» einem im wahrsten Sinne des Wortes. Dann müssen sich die Automobilhersteller mit diesen «Geruchsreklamationen» befassen.
Spezialisten suchen Geruch-Ursachen
Bei Ford etwa fünfmal im Jahr. Ein Spezialistenteam geht dann dem Geruch nach und entdeckt dabei teils exotische Fälle: beispielsweise ein verwestes Mäusenest hinter der Armaturentafel. Doch sind die Gründe insgesamt vielfältig. Zumeist sind es neue Werkstoffe, die zwar Gewichts- und Verarbeitungsvorteile bieten, aber aufdringlich riechen.
Jörg Saßmannshausen, Leiter «Chemische Analytik» bei Ford: «Ein gewisses Maß an Neuwagengeruch akzeptieren die Kunden, ja wünschen es sogar.» Deshalb müssen die Gerüche genau definiert sein und bestimmte Prüfmethoden erfüllen.
Termindruck verhindert “Auslüften”
Auf der VDI- Tagung «Kunststoffe im Automobil» berichtete Jörg Saßmannshausen über die Geruchsforschung. In der Vergangenheit lagerten Teile oft mehrere Tage, bis sie im Auto verbaut wurden – Zeit genug, um richtig auszulüften. Heute stehen die Teile «just-in-time» in Fabriknähe und werden mit nur wenigen Stunden Vorlaufzeit direkt ans Montageband geliefert – manchmal noch «warm». Jörg Saßmannshausen: «Zum Auslüften fehlt die Zeit, und der Geruch solcher Teile gibt leider allzu häufig Grund zu Reklamationen.»
Spezialrechner vergleichen Gerüche
Die Ford-Ingenieure experimentieren derzeit mit einer Technik, die unter anderem in der Nahrungsmittel-Industrie als «elektronische Nase» eingesetzt wird. Sie nutzt elektrochemische Sensoren, um gasförmige Gerüche und Stoffe zu vergleichen. Im Zentrallabor der Ford-Werke in Köln-Niehl steht der «eNOSE 4000», ein Rechner, der mit dem so genannten «PRECEPT II-Autosampler» arbeitet. Hersteller dieser 100 000 Mark teuren Super-Geruchsanlage ist die englische Firma Neotronics.
Die Grundausstattung mit zwölf leitfähigen Polymer-Sensoren beinhaltet insgesamt 48 Gläser mit Proben. Aus diesen entnehmen unterschiedliche Sensoren in einer Messkammer Proben und erstellen – je nach elektrischem Widerstand – den speziellen «Fingerabdruck».
Leder hat anspruchsvollen Geruch
Beispiel Leder: Etliche Sorten werden in der Fertigung von Autositzen verwendet. Sie weisen zum Teil nur geringe Unterschiede in der Qualität auf. Die «elektronische Nase» registriert nun, ob ein bestimmtes Leder für die Sitzfertigung geeignet ist und ob der Produktionsprozess bei den Lieferanten konstant ist. Schwierig ist auch der Umgang mit Akustik-Dämmmatten, die mit Phenol- und Formaldehydharz gebunden sind. Ein anderes Beispiel: Baumwoll-Rohware. Viele Faktoren beeinflussen ihre Geruchsqualität. Bei ihrer Untersuchung werden ihre Werte mit gespeicherten Daten guter Ware verglichen. Stimmen sie überein, können die Prüfer das Material freigeben – oder eben nicht.
Geruchsforschung erst am Anfang
Und was bietet die elektronische Sensorik für die Zukunft? Saßmannshausen: «Die Chemosensorik bietet als noch sehr junge Technik ein großes Potential.» Noch steckt die Geruchsforschung aber in den Kinderschuhen und kann auf absehbare Zeit den menschlichen Geruchssinn nicht ersetzen.
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