Derzeit machen einige Automobilhersteller gute Geschäfte, denn sie nutzen ein Schlupfloch im europäischen Recht: den Handel mit Fahrzeugen ohne Typengenehmigung. Statt dessen lassen sie Fahrzeuge mit einer so genannten Einzelgenehmigung zu, die dann aber in der Regel nicht den hohen Sicherheits- und Umweltstandards, die die EU für Serienfahrzeuge vorschreibt, entsprechen. Das spart natürlich auch Kosten für teuere Crashtests.
Angefangen hat alles mit den China-Krachern: Im September 2005 ermittelte der ADAC für das chinesische SUV „Landwind“ katastrophale Crashtest-Werte, im Mai letzten Jahres erreichte auch die Mittelklasse-Limousine „Brilliance“ nur einen von fünf möglichen Sternen. Solche Sicherheitstechnisch bedenkliche Autos ließen sich mit einer trickreichen Zulassung auf den europäischen Markt bringen. Gegen die Zulassung der minderwertigen Fahrzeuge protestierten Verbände und Organisationen – das Schlupfloch wurde geschlossen. Seit September letzten Jahres gilt die Richtlinie 2007/46/EG, die die EU-Typengenehmigung regelt.
Doch die Brüssler Bürokraten haben die Richtlinie nur halbherzig erstellt: Die Zulassung in nur einem Mitgliedsstaat – ohne aufwändiges EG-Typengenehmigungsverfahren – ist weiterhin möglich. Sie müssen nur den „Verwaltungsvorschriften und technischen Anforderungen“ dort entsprechen, dürfen dann auf allen europäischen Märkten verkauft werden.
Kürzlich forderte deshalb der viermalige Paris-Dakar-Gewinner Ari Vatanen, der für die Fraktion der Europäischen Volksdemokraten im EU-Parlament sitzt, die „Schlupflöcher beim Typengenehmigungsverfahren“ zu schließen. „Die Fahrzeuge stellen eine potenzielle Gefahr im Straßenverkehr dar“, erklärt Rallye-As Vatanen, „denn Einstufungen in anderen Ländern beziehen sich nur auf die Ausstattung, nicht auf die Sicherheit“.
Auch Werner Kraus, FIA-Präsident für Europa, sieht die hohen Standards der Verkehrssicherheit in Europa gefährdet, da beispielsweise in den Niederlanden zugelassene Fahrzeuge „ohne EU-Typgenehmigung und ohne Crashtests in alle Mitgliedsstaaten verkauft werden dürfen“. Demnach verkündete der General-Importeur für Chevrolet in den Niederlanden, er wolle rund 200 Chevrolet „HHR“ mit Einzelzulassung landesweit verkaufen und bis zu 2.500 weitere Retro-Cars in andere Mitgliedsstaaten. Damit wäre der ganze Europäische Markt mit diesem Modell zu versorgen, denn Chevrolet kalkuliert für den Retro-Wagen ein Absatzziel von einigen Tausend Einheiten in der EU , davon rund 500 in Deutschland.
Und auch in der Frage der CO2-Besteuerung (nach Kraftstoffverbrauch) ist die Richtlinie unklar. So erhielt der Geländewagen Suzuki „Grand Vitara“ 2.7 V6 (309 Gramm CO2-Ausstoß je Kilometer) in den Niederlanden eine Einzelzulassung, mit der sich die holländische „Schlürfsteuer“ umgehen lässt: Fahrzeuge mit mehr als 232 Gramm Co2-Ausstoß je km müssen dort je zusätzlichem Gramm Mehrausstoß eine Strafsteuer von 110 Euro zahlen. Mit diesem Steuertrick kann der Hersteller das SUV um mehr als 8.000 Euro billiger verkaufen.
Die EU-Kommission kennt diese Probleme, ist jedoch machtlos . Der zuständige EU-Kommissar Günter Verheugen verteidigt gegenüber Ari Vatanen bürokratisch die derzeitige Gesetzeslage: „Es ist nach wie vor legal, solche sicherheits- und umwelttechnisch bedenklichen Neufahrzeuge in die EU einzuführen, obwohl sie nicht vollständig dem Gemeinschaftsrecht entsprechen.“ Er hat keine Wahl: Erst wenn die achtzehnmonatige Übergangsfrist der Richtlinie 2007/46/EG abgelaufen ist, schließt übergeordnetes Gemeinschaftsrecht die Lücke – am 29. April 2009.
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