Tempolimit durch die Hintertür

20.12.2015 – Die Bodenseeautobahn A81 hat es in sich: Im vergangenen Jahr zählten die Beamten der Verkehrspolizei Sigmaringen etwa 60 Autorennen, einige Fahrzeuge wurden beschlagnahmt, 35-mal wurden Verfahren eingeleitet. Meist kommen die Raser aus der Schweiz, denn jenseits der Grenze gilt Tempo 120, diesseits freie Fahrt. Die Grün-Rote Landesregierung will jetzt ein Tempolimit anordnen. Gerechtfertigt oder nur Parteipolitik? In Baden-Württemberg beginnt der Landtagswahlkampf.
Auf der A 81 zwischen Kreuz Hegau und Dreieck Bad Dürrheim soll auf mehr als 30 Kilometern Tempo 120 gelten. Begründung der von den Grünen geführten Landesregierung: Man wolle herausfinden, inwieweit das Unfallaufkommen reduziert werden kann. Allerdings ist dieser Abschnitt keine übermäßige Unfallstrecke. So befürchten Oppositionspolitiker den Einstieg in ein landesweites Tempolimit. Denn Verkehrsminister Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen) will ab Mai nächsten Jahres auch auf der A96 zwischen Achberg und Aitrach auf fast 50 Kilometern die Höchstgeschwindigkeit begrenzen.
Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen fällt nach Gesetzeslage in die Zuständigkeit des Bundes. Ein „Pilotprojekt“ dagegen nicht. So tarnt man die Geschwindigkeitsbegrenzungen als Pilotversuch. Guido Wolf, Fraktionsvorsitzender der CDU, hat den Verdacht, dass der Minister “den Versuch instrumentalisiert, um
seinem großen Anliegen ein flächendeckendes Tempolimit einzuführen, endlich Geltung zu verschaffen”. Auch Bundesverkehrsminister Dobrindt mahnt Hermann in
einem persönlichen Schreiben, das Auto Bild vorliegt: “Für solche Modellversuche fehlt die Rechtsgrundlage.” Eine konkrete Gefahrenlage sei zwingende
Voraussetzung.
Dies sehen Rechtswissenschaftler für die A 81 anders. Gerrit Manssen von der Universität Regensburg: „Wenn ein Autobahnabschnitt sich zu einer Raserstrecke entwickelt hat, liegt eine Gefährdung des Verkehrs vor, die ein Tempolimit rechtfertigen kann.“ Eine Arbeitsgruppe der Verkehrsministerkonferenz hat schon den Weg dazu geebnet. Künftig will man den Bundesländern Tempobeschränkungen erlauben – ohne den Nachweis der Unfallhäufigkeit.  Nach den Wahlen im Ländle schaffen es wahrscheinlich sechs statt vier Fraktionen in den Landtag. Stärkste Partei wäre wohl die CDU, die dann das Tempolimit wieder aufheben könnte.