Rettungskräfte unter Spannung

Fahrzeuge mit Hybrid- und Elektroantrieb halten Rettungskräfte im neuen Jahrzehnt auf Trab: An der Unfallstelle schnell und richtig die Antriebsart zu erkennen und zu interpretieren, kann eine lebenswichtige Fähigkeit sein für Polizei, Sanitäter und Feuerwehr. Derzeit fahren rund 30.000 Hybrid- und 2.300 Elektroautos auf deutschen Straßen. Tendenz: stark steigend. Denn im Jahre 2020 sollen hierzulande allein eine Million Elektroautos unterwegs sein. Bis dahin werden zahlreiche Hybridmodelle, mit Verbrennungsmotor und Elektromotor als Antriebsergänzung, im Verkehr dominieren.
Statt der üblichen Zwölf-Volt-Ströme einer Bleibatterie, haben Hybridmodelle eine zusätzliche Nickel-Metall-Hydrid(NiMH)-Batterie an Bord, die zeitweise einen Elektromotor zuschaltet und bis zu 400 Volt Spannung erzeugt. Mehrere Hundert Volt sind aber lebensgefährlich: Ersthelfern droht ein Stromschlag, wenn sie mit Rettungsmaßnahmen beginnen. Denn schon bei einem Kiloohm Körperwiderstand können dann bis zu rund 400 Milliampere Strom fließen – schlimmstenfalls sind schon 50 Milliampere tödlich.
„Bei verunglückten Hybridfahrzeugen weiß man nie so genau, wo die Elektronik ausgeschaltet wird und welche Kabel wo verlaufen“, erklärt Wehrführer Jörg Daniel von der Feuerwehr Hofheim am Taunus. Mehrmals in den letzten Monaten rückte dort die Feuerwehr zu einem Unfall mit einem Hochvolt-Stromer aus. Deren Betriebssicherheit ist zwar in einer Vielzahl internationaler Regelungen festgeschrieben, beispielsweise der „Protection against electric shock“, also dem Schutz vor Stromschlägen. „Doch eine einheitliche Norm für das Bordnetz in Elektrofahrzeugen fehlt bislang“, sagt Holger Potdevin, Experte für Hochvoltsicherheit beim Elektronikzulieferer Bender in Grünberg, der Isolierungen und Steuerungen für Hochvolt-Antriebe entwickelt. Bei einem Unfall sinkt die Bordnetzspannung innerhalb von fünf Sekunden auf ungefährliche 60 Volt – so will es eine US-Norm. Ein europäisches Gegenstück dazu gibt es aber noch nicht. Unter der Leitung von VW entwickelt die Autoindustrie derzeit einen Standard für ein Hochvolt-Bordnetz.
Wie automobiler Starkstrom zulangen kann, weiß man seit jenem Unfall 2008 in der hoch technisierten Formel 1: Beim Berühren der Karosserie eines mit dem Energie-Rückgewinnungssystem KERS (kinetic energy recovery system) ausgerüsteten Rennwagens, wurde ein BMW-Mechaniker beim GP in Jerez in der Boxengasse zu Boden geworfen. Grund soll ein Konstruktionsfehler im Hochvoltsystem gewesen sein. Mittlerweile wurde KERS wieder abgeschafft. „Die gleiche Gefahr wie im Motorsport“, so Hybridexperte Holger Potdevin, „besteht aber grundsätzlich bei jedem elektrobetriebenen Fahrzeug.“ Denn eine Pkw-Stahlkarosserie sei ebenso leitfähig wie Kohlefaserverbundstrukturen von Rennfahrzeugen.
Wohlgemerkt: Im normalen Fahrbetrieb ist der Fahrer vor der Hochspannung geschützt. Bei einem Unfall soll die Trennung vom 12 Volt-Bordnetz und eine möglichst große Knautschzone für die Hochleistungsbatterie Sicherheit garantieren. Zudem trennen Sensoren innerhalb von 150 Millisekunden die Batterie vom Stromnetz – vorausgesetzt die Leistungselektronik funktioniert dann noch. Ausreichende Erfahrungswerte fehlen jedoch den Fahrzeugherstellern. Hält die Technik auch noch nach Jahren, was sie beim Kauf verspricht? Den ersten Crashtest mit einem älteren Hybridfahrzeug, einem drei Jahre alten Toyota Prius, hat der DEKRA gefahren. Offizielles Ergebnis: keine besonderen Vorkommnisse. Bevor die Testingenieure aber den Innenraum untersuchten, hatten sie vorsichtshalber mit Messgeräten überprüft, ob die Karosserie unter Strom steht.
Spannende Aussichten für Rettungskräfte im Einsatz. „Wir haben dem deutschen Feuerwehrverband Datenblätter zur Technik unserer Hybridfahrzeuge frühzeitig überlassen“, erklärt Dirk Breuer, Hybridexperte bei Toyota und Lexus. Dies haben andere Hersteller auch. In der Praxis bedeutet dies für Feuerwehren: Kisten mit Rettungskarten mitschleppen oder auf den jeweiligen Herstellerseiten im Internet die Datenblätter downloaden – vorausgesetzt es besteht ein Internetzugang an der Unfallstelle.
Doch bei der Rettung von Menschenleben ist Eile geboten. „Über eine in Holland gekaufte CD konnten wir in einer Datenbank schnell feststellen, wo im Prius die elektrischen Sicherungen sitzen“, erklärt Feuerwehrmann Jörg Daniel. So wie in Großbritannien, Schweden und Holland wünschten sich auch hierzulande Einsatzkräfte die Option, mit einem Notebook solche Daten sofort abrufen zu können.
Hilfe kommt vom Gesetzgeber: Wie bei der Polizei soll eine direkte Kennzeichenabfrage beim Zentralen Fahrzeugregister in Flensburg Auskunft über relevante Technik eines Hybrid-Fahrzeugs geben. „Ich habe deshalb eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und der Fahrzeug-Zulassungsordnung auf den Weg gebracht“, verkündet Minister Ramsauer. Sonst könnten an der Unfallstelle wertvolle Sekunden verrinnen, in denen die Retter verunsichert sind. So wie in den USA, wo sich Feuerwehrleute weigerten, verunglückten Hybridfahrern zu helfen – aus Angst vor Stromschlägen.


Kommentare

Eine Antwort zu „Rettungskräfte unter Spannung“

  1. Ich entschuldige mich aufrichtig für diesen Kommentar! Aber ich teste einige Software zum Ruhm unseres Landes und ihr positives Ergebnis wird dazu beitragen, die Beziehungen Deutschlands im globalen Internet zu stärken. Ich möchte mich noch einmal aufrichtig entschuldigen und liebe Grüße 🙂

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